Bei „La Bohème“ ist Gelsenkirchen stimmt einfach alles: Ohne Regie-Mätzchen inszeniert – Ruhr Nachrichten


Da hört und schaut man gerne zu: Mit der Neuinszenierung von Puccinis beliebter „La Bohème“ ist dem Musiktheater im Revier ein großer Wurf gelungen.
Nachträgliche Bescherung am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier: Am Samstag feierte dort Puccinis beliebte Weihnachtsoper „La Bohème“ Premiere – und wurde zu Recht stürmisch bejubelt. Sandra Wissmann erzählt die rührende Geschichte um die vier mittellosen Pariser (Über-)Lebenskünstler und die kranke Blumenstickerin Mimi dort ganz klassisch und ohne Regie-Mätzchen. Aber sie verklärt oder verkitscht sie auch nicht.
Britta Tönne stellt einen Teil eines zweistöckigen Hauses auf die dezent eingesetzte Drehbühne: oben die karge Mansarde der Bohemiens, darunter, durch zwei Außentreppen verbunden, die triste Fassade des Erdgeschosses, welche für weitere Szenen der Handlung als Hintergrund dient.
Richtig bunt wird es nur, wenn davor im zweiten Bild die Tische des Cafés Momus aufgebaut werden und sich ein jahrmarkt- bis revuehaftes Treiben entfaltet. Denn dann kommen die an der Mode der „wilden“ 1920er- Jahre orientierten Kostüme von Beata Kornatowska ins Spiel. Der damit angedeutete Zeitsprung – die Oper soll eigentlich um 1830 spielen – gewinnt über diese Farbtupfer hinaus allerdings keine weitere Bedeutung.
Die besondere Stärke der Inszenierung ist die detailverliebte, natürlich-realistische Personenführung: Da bringt Sandra Wissmann ihre ganze Musical-Erfahrung ein, der auch Gelsenkirchen in der Vergangenheit schon Glanzproduktionen wie „Cabaret“ und „Drei Männer im Schnee“ zu verdanken hat. Köstlich sind vor allem die lebhaften Interaktionen der als besondere Typen gezeichneten Bohemiens. Und wie die Vier – darunter Yancheng Chen aus dem Opernstudio NRW als sehr präsenter Musiker Schaunard – dazu noch sängerisch harmonieren!
Khanyiso Gwenxane gibt den Dichter Rodolfo souverän als schmachtender Tenor mit üppiger Strahlkraft. In den Schatten gestellt wird er allerdings durch seine Partnerin Heejin Kim, die als Mimi schier über sich hinauswächst: Sorgt die Koreanerin schon mit ihren zarten Tönen für Gänsehautmomente, so betört sie erst recht, wenn sie ihren schlanken Sopran aufblühen und in der Höhe sicher und ohne jegliche Schärfe erstrahlen lässt. Am Ende verlöscht diese Mimi ganz ohne Leidenspathos.
Ein treffliches Gegen-Pärchen bilden Simon Stricker als forscher Maler Marcello mit klangsattem Bariton und Margot Genet als keck-vitale, divenhafte Musetta. Urban Malmberg meistert seine Auftritte als doppelter Unsympath mit Bravour.
Giuliano Betta und die Neue Philharmonie Westfalen halten für Puccinis meisterhafte, subtil instrumentierte Partitur eine reiche Farbpalette bereit, welche die Herzenswärme der Melodien ebenso unterstreicht wie das schwelgerische Aufwallen der Emotionen. Bei dieser Gelsenkirchener „La Bohème“ stimmt einfach alles.
Termine: 9. / 13. / 21. 2., 8. 3., 12. / 20. / 27. 4.2025; Karten: Tel. (0209) 409 72 00.
www.musiktheater-im-revier.de
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