Im Sommer hat das muntere Treiben rund um Fußball-EM und Taylor-Swift-Auftritte die Ruhrmetropole Gelsenkirchen international ins Rampenlicht gerückt, nun sorgt der Wahlerfolg der AfD für Schlagzeilen. Die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei holte hier bei der Bundestagswahl 24,7 Prozent der Zweitstimmen und landete knapp vor der SPD auf dem Spitzenplatz im Wahlkreis 122.
Die Sozialdemokraten verloren im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 erheblich, sie büßten 13,0 Prozentpunkte ein und landeten in Gelsenkirchen bei 24,1 Prozent. Die AfD legte dort fast im selbem Umfang zu. Unter 64 Wahlkreisen in Nordrhein-Westfalen liegt die AfD nur in der 150.000-Einwohner-Stadt ganz vorn.
Die AfD-Landespartei spricht von einem „Triumph“ in Gelsenkirchen, der historisch sei. „Den Wahlkreis in der ehemaligen Herzkammer der Sozialdemokratie konnten wir bei den Zweitstimmen für uns entscheiden. Es zeigt sich, dass wir uns auch im Westen mehr und mehr etablieren“, so Landeschef Martin Vincentz.
In Gelsenkirchen stehen viele Häuser und Geschäftsräume leer, sind sanierungsbedürftig. Die Stadt hatte ein großes Programm gestartet, um „Schrottimmobilien“ aufzukaufen. Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger empfinden ihre Heimatstadt als ziemlich abwirtschaftet. Anfang 2024 lag die Arbeitslosenquote in der Ruhrmetropole mit gut 15 Prozent bundesweit am höchsten. Auch die Armutsquote ist hoch.
Gelsenkirchen sei ein extremes Beispiel, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im WDR zum dortigen Abschneiden der AfD. „Das zeigt natürlich, dass da vermutlich die Stimmen eher von der SPD gekommen sind.“ Der CDU-Politiker ergänzte: „Ich glaube, im Ruhrgebiet – wird man sich jetzt genau anschauen müssen – aber den Eindruck habe ich, dass die AfD auch sehr stark von der traditionellen SPD-Arbeiterschaft profitiert.“ Politologe Norbert Kersting hält die Wählerschaft der AfD grundsätzlich aber immerhin für deutlich moderater als die teils rechtsextremen Positionen der Partei.
Die Fußball-EM und die Konzerte von Megastar Swift hatten die Stadt im Sommer 2024 ins Rampenlicht gerückt. Gelsenkirchen – mit Augenzwinkern vorübergehend im „Swiftkirchen“ umbenannt – sei ein angesagter „Place to be“ geworden, hatte ein Sprecher damals gesagt. Von der Euphorie scheint in der Heimatstadt von Bundesligist Schalke 04 aber nicht viel geblieben zu sein. Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) – sie hatte im Sommer von einem „Imagegewinn“ gesprochen – äußerte sich am Tag nach der Wahl zunächst nicht auf dpa-Anfrage.
Die AfD ist mit 18,8 Prozent drittstärkste Kraft insgesamt im Ruhrgebiet geworden und hat im Vergleich zu 2021 insgesamt 10,3 Prozentpunkte hinzugewonnen, wie es beim Regionalverband Ruhr heißt. Das höchste Ergebnis hat die Partei in Gelsenkirchen, das niedrigste mit 12,2 Prozent im Wahlkreis 119 Essen III. Das Ruhrgebiet galt einst als SPD-Hochburg, auch wenn die Zustimmungswerte für die Sozialdemokraten seit Jahren im Revier immer deutlicher bröckelten.
Starke Zuwächse bekam die AfD diesmal auch im Wahlkreis Duisburg II, wo sie mit 24,6 Prozent nur ganz knapp hinter der SPD landete, die auf 25,2 Prozent bei den Zweitstimmen absackte. In Oberhausen oder auch den Wahlkreisen Herne-Bochum und Hagen kam die AfD knapp über 20 Prozent, blieb aber auf Platz zwei oder drei. Insgesamt hat sich die Partei landesweit in NRW auf rund 16,8 Prozent verbessert und bundesweit ihren Zweitstimmenanteil auf 20,8 Prozent verdoppelt, wie weiter aus Daten der Bundeswahlleiterin abzulesen ist.
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