
Exklusiv | Düsseldorf · Die NFL-Expertin und -Botschafterin sowie neue Spielerin der Düsseldorf Firecats spricht über ihren Wechsel, ihre Erfahrungen als Frau im American Football, die Olympischen Spiele 2028 und die Begeisterung Flag Football.
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Mona Stevens hält einen Football.
Einfach mal zehn Minuten intensiv Zeit nehmen. Mehr braucht es nicht, um das Grundprinzip von American Football zu verstehen, und dann lässt es einen nicht mehr los – da ist sich Mona Stevens sicher. „Man muss nur einmal die Tür aufmachen, und dann hört diese Reise auch nicht auf“, sagt die 32-Jährige.
Für Stevens begann diese Reise als Physiotherapeutin. Das ist ihr Beruf, zudem arbeitete sie nebenbei als solche für die Saarland Hurricanes, ein Footballteam aus der Bundesliga. Danach gründete sie ein Frauenteam, spielte dort mit, wurde Nationalspielerin und ist heute NFL-Expertin bei RTL und auch Flag-Football-Botschafterin für die US-amerikanische Profiliga. Ab diesem Jahr spielt sie zudem Flag Football in Düsseldorf bei den Firecats.
Was hat Sie an den Firecats besonders gereizt? Was macht das Team für Sie attraktiv?
Stevens Da gab es zwei Aspekte. Ich finde das Projekt der Firecats wahnsinnig interessant, auch der Zusammenschluss aller Parteien hier in Düsseldorf, und dass die Stadt daran interessiert ist, dass Flag Football wächst. Der andere Aspekt: Meine langjährige Teamkollegin aus der Nationalmannschaft, Pia Schwarz, ist ja schon länger hier, und unsere Footballreise ist schon sehr lang. Und je mehr Spielerinnen aus der Nationalmannschaft zusammenkommen, desto besser. Je mehr Spielpraxis wir bekommen, desto größer ist die Chance, auch international erfolgreicher zu werden.
Sie werden nicht nur Spielerin sein, sondern auch mehr Verantwortung übernehmen. Wie sieht Ihre Rolle genau aus?
Stevens Ich will einfach das gesamte Projekt der Firecats unterstützen, wo ich nur kann. Natürlich auch mit meinen Kontakten, mit meiner Medienpräsenz. Ich weiß, dass viel Herzblut in so einem Vereinsprojekt steckt, und ich glaube, dass ich sehr viel auf allen Ebenen unterstützen kann, damit wir diesen Sport auch noch weiter professionalisieren können. Man kennt es auch aus anderen olympischen Sportarten, die sind schon sehr professionell in ihren Strukturen, und wir arbeiten daran, das möglichst schnell hinzubekommen.
Zusammenschluss Die Düsseldorf Firecats sind seit Anfang 2024 ein gemeinsames gemeinsames Flag-Football-Projekt von den Düsseldorf Panthern (German Football League) und Rhein Fire (European League of Football).
Ziele Schwerpunkte des Projektes sind die Jugendarbeit, Zusammenarbeit mit Schulen und auch die Erwachsenenarbeit, in diesem Fall im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Was bedeutet der Wechsel für Sie persönlich, auch in beruflicher Hinsicht?
Stevens Ich behalte meine Praxis für Physiotherapie im Saarland. Es reicht noch nicht, dass ich alles aufgebe, und mein Herz hängt ja auch noch dran. Ich kann für die Firecats auch viel von zu Hause aus arbeiten, was organisatorisch anfällt. Ich werde aber schon sehr oft die Strecke auf mich nehmen, um mit dem Team zu trainieren und alles andere hier vor Ort zu regeln. Da haben wir eine gute Lösung gefunden.
In jeder dieser Antworten von Stevens schwingt mit, worum es bei diesem Wechsel geht: Flag Football generell nach vorne bringen, aber vor allen Dingen um die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028. Da wird Flag Football erstmals dabei sein und will sich etablieren. Stevens hilft dabei mit, als Botschafterin und Spielerin.
Neben dem Platz geht es um Professionalisierung. Wie Stevens sagte: Sie kann vom Football nicht leben. Die wenigsten Olympia-Teilnehmer können das, trotz Fördergeldern vom Bund. Über die Höhe und deren Verteilung wird immer wieder gestritten, sie dienen gern als Begründung dafür, dass Deutschland immer weniger Medaillen gewinnt – eben, weil die Spitzensportler nicht ausreichend gefördert würden.
Flag Football ist da noch ganz am Anfang. Momentan laufen die Gespräche mit der Sporthilfe und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), inwiefern es überhaupt schon eine Förderung gibt oder an Olympia-Stützpunkten trainiert werden kann. Im April benennen die Teams ihre Kader, dann beginnt der olympische Zyklus für die Flag Footballer. Mona Stevens und ihre Mitspielerinnen leisten also Pionierarbeit, und ihre Zusammenkunft in Düsseldorf erfolgte auch mit Blick auf Los Angeles in drei Jahren.
Die Düsseldorf Firecats sind ein junges Team mit viel Potenzial. Welche Ziele möchten Sie mit ihnen erreichen?
Stevens Ganz klar, in diesem Jahr die Deutsche Meisterschaft gewinnen.
Wird es Ihnen schwerfallen, die Saarland LadyCanes, die Sie aufgebaut haben, zu verlassen?
Stevens Wir sind dieses Jahr nicht spielfähig, da wir sehr viele Abgänge hatten. Deshalb haben wir uns entschlossen, gar nicht zu melden. Es ist immer ein bisschen herzzerbrechend, wenn man ein Team gegründet hat und es läuft nicht mehr so weiter, wie man sich das vorgestellt hat. Aber man muss da mit der Entwicklung gehen und Flag Football ist eben auch die Zukunft für mich, da steht dieses große Ziel Olympia. Aber ich habe mir als Botschafterin für die NFL auch auf die Fahne geschrieben, den Sport global zu entwickeln. Ich glaube, dass Düsseldorf dafür sehr viel Rückenwind gibt.
Flag Football als Zukunft – wohl nicht nur für Mona Stevens, sondern für viele Frauen, die gern Football spielen wollen: „Es explodiert gerade, der Zulauf zum Flag Football ist riesig, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit“, sagt sie. Allein von 2023 auf 2024 hätten sich die Spielerzahlen in Deutschland verdoppelt. Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch eine reine Frauen-Bundesliga, zuvor dominierte die Mixed-Variante. Doch international – also auch bei Olympia – wird getrennt gespielt. Deshalb ergebe es jetzt mehr Sinn, mit Frauen gegen Frauen zu spielen, sagt Stevens: „Mit Männern trainieren macht sehr viel Sinn und macht natürlich auch besser, aber im Grunde brauchen wir Spielpraxis mit Frauen.“
Welche Herausforderungen hatten Sie als Frau in einer eher männerdominierten Sportart?
Stevens Tatsächlich bin ich am Anfang auf sehr große Barrieren gestoßen. Als ich Physiotherapeutin des Bundesligateams war, habe ich gemerkt: Das macht mir Spaß, ich will das auch machen. Ich bin dann damals zum Vorstand gegangen, und die haben gesagt: „Frauen gehören nicht aufs Footballfeld, höchstens als Wasserträger.“ Das ist erst zwölf Jahre her, also nicht so lange, das war schon schockierend. Auch weil ich dachte: Warum sollten Frauen nicht diese wahnsinnig großartige Sportart ausüben? Auch uns Frauen macht das unheimlichen Spaß. Wir müssen nicht in Watte gepackt werden; wenn wir da Bock drauf haben, dann machen wir das. Ich habe dann trotzdem gekämpft, viele Frauen zusammengesucht und wir sind dann nochmal zum Vorstand gegangen. Wir hatten 100 Frauen, die Bock hatten, Football zu spielen, und dann konnten sie nicht mehr Nein sagen. Es gab also am Anfang viel Widerstand, aber nach und nach kam es immer mehr ins Rollen. Gerade intern in der Football-Bubble ist ohnehin sehr viel Akzeptanz da. Wir sind einfach nicht mehr in einer Zeit, in der wir einen Unterschied machen sollten.
Die wichtigsten Begriffe im American Football
Haben Sie einen Tipp für junge Frauen und Mädchen, die sich für Football interessieren, aber sich nicht trauen, anzufangen?
Stevens An allererster Stelle: Niemals von einem Nein abschrecken lassen, sondern weiterkämpfen. Es gibt überall auf der ganzen Welt Beispiele dafür, dass Frauen diese Mauern einreißen, dass es da Limits geben sollte. Sucht euch Gleichgesinnte. Werdet mehr, wachst zu einer Gruppe, und irgendwann könne sie nicht mehr Nein sagen. Einfach nicht aufgeben und weiter für die Träume arbeiten. Wir haben alle die Chancen, dahin zu kommen, wo wir wollen. Ich kann selber meinen Traum verwirklichen, weil ich am Ende nicht aufgegeben habe. Das kann jede Frau, kann jedes Mädchen schaffen und da sollte man sich einfach niemals abschrecken lassen. Immer kämpfen.
Was war Ihr größter sportlicher Erfolg und warum bedeutet er Ihnen so viel?
Stevens Es gab mehrere so kleine Situationen. Es war natürlich unser erstes Spiel mit den LadyCanes, weil ich mich daran erinnere, dass so viele dagegen waren. Dann sind wir zu unserem ersten Ligaspiel gefahren und haben 30:6 gewonnen. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Oder das erste Spiel mit der Nationalmannschaft – von „wir dürfen keinen Football spielen“ zu einer der besten Spielerinnen des Landes. Und dann gab es immer wieder mal so Momente, die mich an diesen Tag erinnerten. „Frauen gehören nicht aufs Feld“ – und dann durfte ich ein Trikot tauschen mit Patrick Mahomes, dann gewinnen wir Bronze bei den Europameisterschaften 2023. Diese Reise ist einfach nicht zu Ende, deshalb freue ich mich auf die Highlights, immer mit dem Hintergrund: Jemand sagte, du darfst das nicht, weil du eine Frau bist. Es ist schön zu sehen, dass das Wort von diesen Menschen einfach kein Gewicht hat.
Flag-Football-Zentrum Auf der Bezirkssportanlage Garath sind zwei Felder für Flag Football entstanden, auf denen auch die Firecats beheimatet sind. Die Felder werden am 5. April mit hohem Besuch der Stadt und aus der US-amerikanischen Football-Profiliga NFL eröffnet.
American Football Madness Die Mischung aus Football-Messe und -Festival findet erstmals am 30. und 31. Mai in und um die Düsseldorfer Arena statt. Mona Stevens fungiert als Botschafterin der Veranstaltung.
Das beschäftigt Sie sehr.
Stevens Ja, weil ich glaube, dass viele junge Mädchen in die Situation kommen, wo es heißt: „Nein, Football ist nichts für dich.“ Aber auch in ganz anderen Situationen bei anderen Dingen. Ich finde, wir sollten nicht mehr unterscheiden zwischen Männern und Frauen. Wenn jemand fähig ist, etwas zu tun, dann sollte er das tun können. Auch Frauen, die Männer coachen. Natürlich spielen wir kein Tackle Football gegen Männer, das funktioniert nicht. Aber Frauen gegen Frauen können das eben auch machen. Klar beschäftigt es mich, weil ich glaube, dass viele da Gegenwind haben und ein bisschen Mut brauchen, um zu sehen, dass funktioniert auch, wenn jemand sagt: „Das ist nichts für dich“ – nur weil du eine Frau bist.
Es gibt für Sie die Bezeichnung „weibliches Gesicht des deutschen Footballs“ – würden Sie diese Rolle so annehmen?
Stevens Ja, würde ich schon sagen. Am Anfang merkt man das selbst nicht so, wie die Außenwahrnehmung ist. Aber es kommt, je mehr ich dann auch auf Veranstaltungen bin oder Nachrichten auf Social Media bekomme, wo junge Mädchen sich inspiriert fühlen oder merken, dass sie sich nicht verstecken müssen. Wenn es im Verein keinen Frauensport gibt, dann können sie zu den Männern gehen und mitmachen. Beim Flag Football gibt es gar keinen Grund, es nicht zu tun. Denen die Kraft zu geben und zu zeigen, ihr könnt das alles schaffen. Es freut mich immer, wenn ich Geschichten höre wie: „Ich habe das geschafft, weil du mich inspiriert hast.“ Das macht einen auch ein bisschen stolz.
Auch Stevens hat nicht aufgegeben und lebt heute den Traum von ganz vielen Footballfans. Als NFL-Botschafterin trifft sie sämtliche Stars, hat sie Kontakte bis nach ganz oben, bis hin zum Commissioner (also Ligachef) Roger Goodell. Als das RTL-NFL-Team erstmals zusammentraf, hatte Stevens Geburtstag, und alle sangen für sie – und da sind einige große Namen dabei. „Das war total surreal“, sagt Stevens. „Es ist schön zu merken, dass auf der ganzen Welt, auch in der NFL-Welt, Football eine Familie ist. Es gibt ja diesen Slogan ‚Football is Family‘. Und das wird einem immer wieder bewusst.“
Zum Beispiel auch im Gespräch mit Patrick Mahomes, Quarterback der Kansas City Chiefs und mehrfacher Super-Bowl-Sieger. Der habe sich sehr für die Frauen-Nationalmannschaft interessiert und die Tatsache, dass es das gebe, bewundert. Mahomes ist gemeinsam mit seiner Frau Brittany Mitbesitzer von mehreren Sportteams, darunter ein Frauenfußballteam in der US-amerikanischen Profiliga. Zudem möchte er ein Frauen-Basketballteam der WNBA nach Kansas City holen.
Wie kam es zu dem Treffen mit Patrick Mahomes?
Stevens Ich war zum NFL-Spiel in Frankfurt in einem sehr kleinen Kreis beim Commissioners Dinner eingeladen, dadurch, dass ich Botschafterin für Deutschland bin. Dort habe ich Peter O‘Reilly (Executive Vice President der NFL, Anm. d. Red.) von meiner Vision erzählt, dass ich gern ein Trikot tauschen würde mit Patrick Mahomes, weil ich ihn sehr schätze und er auch ein bisschen mein Vorbild ist, weg von diesem klassischen Quarterback-Typ. Es macht wahnsinnig viel Spaß, ihm zuzugucken.
Gibt es ansonsten für Sie Sportler oder Sportlerinnen, die Sie inspiriert haben?
Stevens Im Football weniger, aber es gibt immer wieder inspirierende Geschichten. Ein Beispiel ist Kristina Vogel für mich, die mehrfache Bahnrad-Weltmeisterin. Sie hat so viele Titel gewonnen und dann diesen schweren Unfall gehabt. Wie sie damit umgeht, wie viel Lebensfreude sie ausstrahlt und wie sie immer weiter macht. Genauso Simone Biles, die bei den Olympischen Spielen aufgehört hat, weil sie gesagt hat: Hey, ich schaffe es mental nicht. Nach außen zu gehen und zu sagen, es gibt Grenzen und auch nicht sichtbare Dinge, die einen beschäftigen. Dann nachher zurückzukommen und wieder die Goldmedaille zu holen – das sind einfach so schöne Geschichten, gerade bei Frauen, die ihre Persönlichkeit durchsetzen und stehen wofür sie stehen.
Was ist Ihre langfristige Hoffnung für den Flag Football, wo soll die Reise hingehen?
Stevens Ich habe eine bisschen die Vision, es mit 3×3-Basketball zu vergleichen. Ungefähr so ist Flag Football im Vergleich mit der klassischen Variante. Die Hoffnung ist, dass Flag Football das 3×3 Basketball der nächsten Olympischen Spiele wird. Es ist wirklich ein wahnsinnig guter Einstieg in eine faszinierende Welt. Ich kenne niemanden, der vom Football wieder weggekommen ist. Wenn man einmal diese Büchse der Pandora geöffnet hat, ist die Faszination unfassbar groß. Sei es die große NFL, aber eben auch die Möglichkeit, Flag Football zu spielen. Ich glaube, es wird immer populärer, weil der Spaßfaktor so unfassbar hoch ist. Ich möchte, dass wir alle ein bisschen offener werden, dass wir mehr Zuschauer haben, dass Menschen das einfach spielen und Spaß an diesem Sport haben.
Welches Vorurteil über American Football können Sie gar nicht mehr hören?
Stevens Kein Vorurteil, aber ich erzähle mal meine Geschichte: Ich bin zum American Football gekommen durch Bekannte und meinen Job. Mein erster Gedanke war: Ach, da laufen elf gegen elf brutal gegeneinander, die sich irgendwie kloppen. Aber wenn man sich mal zehn Minuten intensiv damit beschäftigt, wie dieser Sport funktioniert, hat man es verstanden. Und wenn man dann anfängt, ist es eine unendliche Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Diese Taktik, die Athletik – die Faszination ist so groß, dass man einfach nie satt wird. Die Strategie, die Spannung, dass sich in einem Viertel ein ganzes Spiel drehen kann. Das will ich jedem mitgeben: Traut euch, nehmt euch zehn Minuten Zeit, beschäftigt euch einmal mit dem Grundprinzip und der Rest kommt von selbst.
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