
Stellv. Red.-Leiter
Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Ausländerbehörde zieht Bilanz – und stellt fest: Gesetze, die Abschiebungen vereinfachen sollten, erzielten kaum Wirkung.
„Homöopathie“: Als das bezeichnet Gelsenkirchens Ordnungsdezernent Simon Nowack die gesetzlichen Änderungen, die vergangenes Jahr eigentlich zur Erhöhung der Abschiebezahlen führen sollten. Dem aktuellen Sachstandsbericht der städtischen Ausländerbehörde zufolge konnten 2024 aber sogar weniger Menschen zurückgeführt werden als in den letzten vier Jahren.
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Demnach traf es vergangenes Jahr lediglich 79 Personen. Zwischen 2021 und 2023 wurden hingegen jährlich zwischen 84 und 86 Menschen abgeschoben, 2020 waren es sogar 103. Überraschend kommen die Zahlen allerdings nicht, die Ausländerbehörde hatte schon vor einem Jahr davor gewarnt, zu hohe Erwartungen an das „Rückführungspaket“ der Ampel-Regierung zu stellen (siehe Infobox).
Dass es nicht per se darum geht, einfach nur die Zahlen zu erhöhen und Abschiebungen ein sensibles Thema sind, betont die Ausländerbehörde in ihrem Bericht allerdings auch: Man handle „stets im Bewusstsein, dass Rückführungen für die betroffenen Personen mit erheblichen Einschnitten in die Lebenssituationen und -perspektiven verbunden sind“, heißt es. Sie würden deshalb auch mit der „gebotenen Sensibilität“ und durch „besonders geschultes Personal“ durchgeführt.
Mit dem „Ruckführungsverbesserungsgesetz“ wurden Anfang 2024 unter anderem die Befugnisse der Polizei erweitert, um die Identität eines Asylbewerbers festzustellen. Oft sind fehlende Dokumente ein Abschiebehindernis. Auch wurde durch das Gesetz ermöglicht, künftig Zimmer von Abschiebepflichten durchsuchen zu können.
Abschiebungen müssen seitdem außerdem nicht mehr angekündigt werden. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung mehr.
Von den 79 ausländischen Personen, die im vergangenen Jahr abgeschoben wurden, sind 25 zuvor als Straftäter in Erscheinung getreten – in einem Fall ging es sogar um Totschlag.
Nach WAZ-Informationen handelt es sich dabei um den Nigerianer, der 2016 bei einem Streit im Flüchtlingsheim an der Katernberger Straße die Halsschlagader eines Marokkaners durchtrennte.
Dem damals 18-Jährigen gelang zunächst die Flucht, trotz umfangreicher Fahndung. Ende 2017 wurde er aber in den französischen Alpen gefasst. Die Jugendstrafkammer des Essener Landgerichts urteilte anschließend in dem Fall und verhängte 2018 eine achtjährige Haftstrafe gegen den Asylbewerber. Als diese beendet war, wurde er am 18. März 2024 in sein Heimatland abgeschoben.
Zu den Straftaten zurückgeführter Personen zählen darüber hinaus: Diebstahl und Raub (7), Vergewaltigung (1), Körperverletzung (5), Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (5).
Abschiebungen müssen natürlich nur dann durchgeführt werden, wenn Menschen nach Androhung der Rückführung nicht selbstständig ausreisen. 75 Menschen haben diese Entscheidung 2024 getroffen. Zu den Corona-Jahren 2020 und 2021 waren es nur etwa die Hälfte, 2023 gab es dann sogar 83 freiwillige Ausreisen.
Die am häufigsten zurückgeführte Gruppe waren 2024 syrische Staatsangehörige (12 Fälle). Hier wurde allerdings niemand in sein Heimatland, sondern in ein anderes europäisches Land abgeschoben, es handelt sich bei den Syrern also um Personen, die zuvor bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt hatten oder hätten stellen müssen.
Neben Syrern wurden besonders häufig Serben (11), Türken (10), Nordmazedonier und Kosovaren (beide 5) sowie Bangladescher (4) abgeschoben.
In einem Punkt übrigens findet das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der scheidenden Regierung dann doch positive Erwähnung im Bericht der Ausländerbehörde. In 40 Fällen sei zur Sicherung der Abschiebung eine Sicherungshaft oder ein Ausreisegewahrsam angeordnet worden. Hier habe man wiederholt auf die Regelung des neuen Gesetzes zurückgreifen können. Der Gesetzgeber hatte die Möglichkeiten, in denen Abschiebehaft angeordnet wird, erweitert und die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage erhöht.
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