Schüler radeln über die Alpen: „Extrem viel Respekt!“ – WAZ | Westdeutsche Allgemeine Zeitung


Redakteurin Lokal
Gelsenkirchen. „Besser als Mathe-Stress!“ Gelsenkirchener Schüler stehen vor dem größten Abenteuer ihres Lebens: Sie fahren mit dem Rad von Bayern nach Italien.
Es gibt in dieser Stadt eine Handvoll junger Menschen, die haben in den kommenden Wochen Großes vor: Ungefähr 400 Kilometer Strecke liegen vor ihnen, dazu noch 5000 bis 6000 zu überwindende Höhenmeter, und damit wohl das größte Abenteuer ihres Lebens. Die Gelsenkirchener Hilal Nur Ulupinar, Malte Hasselberg, Nico Lietz, Yoan Karadzhov und Ahmad Abu Nameer machen sich in wenigen Tagen auf zu ihrer Alpenüberquerung – mit dem Rad, rein mit Muskelkraft und ohne elektrische Unterstützung, dazu in Begleitung ihrer Lehrer Pia Schiffer, Kay Christoph Reiß und Stefan Lehr. Dass das alles, was sie vorhaben, gut ausgeht, weiß die 19 Jahre alte Hilal schon heute: „Wir sind eine gute Truppe, wir passen aufeinander auf.“
Die fünf Gelsenkirchener sind Schülerinnen und Schüler an der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck (EGG) und in Jahrgang 12, also in der Q1. Erst im nächsten Jahr werden sie an der Laarstraße ihr Abitur ablegen, im Rahmen des abiturrelevanten (und benoteten) Projektkurses „Transalp“ wollen sie aber schon ab dem 17. Mai – dann nämlich brechen sie auf gen Süden zu ihrem Startpunkt in Garmisch-Partenkirchen – die Berge bezwingen. Das Ziel: der Gardasee, den sie am 24. Mai erreicht haben wollen.
Auch wenn das Schuljahr dann noch nicht ganz beendet ist: Die Transalp ist der hoffentlich erfolgreiche Abschluss eines ganzen Jahres harter Arbeit und vor allem harten Trainings. Denn das braucht es auch, um den Projektkurs erfolgreich, also mit einer guten Note, abschließen zu können. Hilal, Malte, Nico, Yoan und Ahmad berichten von ihrer Hauptbeschäftigung in den vergangenen Wochen: Radfahren.
Denn das ist außerhalb der Schule Pflicht, 2000 zusätzliche Trainings-Kilometer (unter anderem mit großen Touren durch die bergige Elfringhauser Schweiz und die hügelige Haard) müssen sie abgerissen haben, bevor die Transalp überhaupt für sie beginnen kann. „90 Prozent des Trainings muss eben außerhalb stattfinden“, erklärt Lehrer Kay Christoph Reiß. Bedeutet: Mindestens zweimal pro Woche müssen Hilal, Malte und die anderen sich auch in ihrer Freizeit aufs Fahrrad schwingen. Für sie alle kein Problem, Hilal fasst es mit diesen Worten zusammen: „Ich habe lieber Radfahr-Stress im Freien als Mathe-Stress am Schreibtisch.“
Zum Transalp-Team gehören ebenfalls Esmanur Ugur und Noah Ochs, die – wie sich erst vor kurzem herausstellte und sehr zu ihrem Leidwesen – beide aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Mega-Tour teilnehmen können. Dennoch haben sie die Transalp gemeinsam mit ihrer Stufenkollegin und ihren Stufenkollegen vorbereitet, werden sie nicht nur in Gedanken, sondern auch vom Smartphone aus begleiten.
Wir treffen die mutigen Radfahrenden in dem Raum, den sie das ganze Jahr über schon als Kursraum nutzen. Es ist der Technikraum, hier stehen zwar Tische und Stühle, aber an der Decke hängen beispielsweise auch Haken, an denen sich gut ein Fahrrad befestigen und hängen lässt. Zwei Stunden pro Woche, immer dienstags, haben sie sich in diesem Raum während ihres Schultags getroffen, um die Alpenüberquerung in Gänze und in allen Details zu planen.
Alle Details, das bedeutet: Die sieben Schüler haben sich um die Unterkünfte gekümmert, haben die Route und eine umfangreiche Packliste (sie reicht von Kleidung über Werkzeug und Ersatzteilen bis zu Gesäßcreme gegen das Wundreiben) erstellt, Anfragen an Sponsoren rausgeschickt, sich mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt.
Warum sie das auf sich nehmen? Die Antworten sind eindeutig: „Das ist wie eine gute Challenge, eine besondere Herausforderung“, sagt beispielsweise Hilal. Der sportbegeisterte Malte (18) fährt schon sein ganzes Leben Rad, wie er berichtet, und empfindet den Weg über Pässe und Berge ebenfalls als „coole Herausforderung“. Der 18-jährige Nico ist seit der sechsten Klasse in der Fahrrad-AG der Schule, ist schon am Nord-Ostsee-Kanal-Radweg geradelt, hat aber „extrem viel Respekt“ vor einer Etappe. Denn: „Bergab geht‘s an diesem Tag leider gar nicht.“
„Sie haben das alles als Gruppe vorbereitet, am Ende muss es aber jeder am Berg alleine erkurbeln“, weiß demnach auch Lehrer Reiß. Was aber nicht bedeutet, dass die Schüler an den insgesamt sechs Fahrtagen auf sich alleine gestellt sein werden. „In der Gruppe gibt der Langsamste das Tempo vor, das ist kein Wettrennen“, so Reiß weiter. 2022 hatte der erste Projektkurs die Herausforderung angenommen und die Alpen mit dem Rad gequert. Für das kommende Schuljahr hätten sich bereits 18 Schüler angemeldet, berichtet Reiß.
Diverse Sponsoren machen die Alpenüberquerung möglich, sie wurden zuvor von den sieben Schülern eigenständig akquiriert. Dank der Sponsoren ist es möglich, die Kosten zu deckeln. Somit müssen die Schüler in diesem Jahr einen Eigenanteil von 350 Euro für ihre Alpenüberquerung erbringen. Laut Lehrer Reiß würde sie ohne Unterstützung über 600 Euro kosten.
Die Gesamtschüler freuen sich über weitere Unterstützer, wer Interesse hat, kann sich bei ihnen per E-Mail unter transalp-egg-2025@gmx.de melden. Auf Instagram (egg_transalp) gibt‘s regelmäßig Neuigkeiten.
Allein, die Frauen fehlen: Hilal ist bislang erst die zweite weibliche Teilnehmerin überhaupt. Sie sieht das nicht als Problem, zuckt mit den Schultern, lacht dabei. Doch klar ist, dass sich vor allem die Lehrer wünschen, dass noch mehr Frauen die Herausforderung „Transalp“ annehmen würden. Vielleicht hilft Hilals Tipp als Motivation: „Das Training ist immer ein Grund, rauszukommen.“
Nachrichten, Service, Reportagen: Jeden Tag wissen, was in unserer Stadt los ist.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Sie wollen keine Nachricht aus Gelsenkirchen verpassen? Abonnieren Sie hier unseren täglichen Newsletter. Mehr aus unserer Lokalredaktion gibt es auf unseren Facebook– und Instagram-Kanälen. Abonnieren Sie auch unser tägliches, kostenloses News-Update auf WhatsApp. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen jetzt auf TikTok.
Denn der Erfolg der ganzen Sache ist schon länger klar. Der Projektkurs bewirkt etwas bei Hilal, Malte, Nico, Yoan, Noah, Ahmad und Esmanur: Sie haben gelernt, was es bedeutet, um Sponsorengelder zu werben, sich selbst zu organisieren, Verantwortung für sich und fürs Team zu tragen, ein ganzes Jahr motiviert zu sein und auf diese eine Tour hinzuarbeiten. „Das macht was mit einem selber und mit der gesamten Gruppe“, ist Kay Christoph Reiß´überzeugt.
Kennen Sie schon unsere PLUS-Inhalte?
Jetzt WAZ testen
Kennen Sie schon unsere PLUS-Inhalte?
Jetzt WAZ testen
Aktuelle Nachrichten und Hintergründe aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport – aus Essen, Deutschland und der Welt.
Kennen Sie schon unsere PLUS-Inhalte?
Jetzt WAZ testen

source

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*