Gegen AfD gewonnen: Andrea Henze ist Gelsenkirchens neue OB – WAZ


Gelsenkirchens neue Oberbürgermeisterin heißt Andrea Henze. Die 49-jährige Sozialdemokratin setzte sich in der Stichwahl am Sonntag deutlich gegen Norbert Emmerich (AfD) durch. Die Erleichterung bei Henze und der SPD war regelrecht spürbar, als nach Beginn der Auszählung relativ schnell klar war, wie sich die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener entschieden hatten. Rund 67 Prozent der Wähler hatten sich für Henze entschieden. Vergleichsweise hoch war mit rund 42 Prozent auch die Wahlbeteiligung.
„Heute Abend beginnt eine neue Etappe“, sagte Henze in ihrer Dankesrede im rappelvollen Ratssaal, wo sich auch zahlreiche Vertreter anderer Parteien versammelt hatten. „Wir werden uns an unseren Versprechen messen lassen“, versprach das künftige Stadtoberhaupt. „Wir werden eine Politik machen, die nah an den Menschen ist, die transparent ist, ehrlich und handlungsfähig. Eine Politik, die nicht spaltet, sondern verbindet.“
Schnell kam Henze in ihrer Rede auch indirekt auf die AfD zu sprechen: „Wer Verunsicherung und Ängste als Nährboden für seine unwahren Lösungsversprechen nutzt, wer auf Menschenrechte, Demokratie und auf die Werte, die die Bundesrepublik Deutschland groß gemacht haben, pfeift, der hat in mir eine entschiedene Gegnerin“, bekräftigte Henze unter Ovationen der anwesenden Unterstützer. Henze wird als OB künftig Sitzungen in einem Stadtrat leiten müssen, in dem eine AfD-Fraktion sitzt, die mit 20 Mandatsträgern genauso groß ist wie die der SPD.
Aufgrund der in Gelsenkirchen besonders starken AfD wurde die Kommunalwahl mit bundesweit großem Interesse verfolgt, auch am Abend der Stichwahl waren zahlreiche Medienvertreter vor Ort. Die AfD war bei der zurückliegenden Bundestagswahl in Gelsenkirchen erstmals in einer nordrheinwestfälischen Stadt knapp stärkste Kraft geworden. Dass es der mindestens in Teilen gesichert rechtsextremen Partei beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen gelungen war, mit ihrem Oberbürgermeisterkandidaten in die Stichwahl einzuziehen, kam daher nicht überraschend. Die AfD konnte ihren Stimmanteil gegenüber ihrem Rekordergebnis von der Bundestagswahl sogar noch einmal vergrößern.
Ein Kommentar von Sinan Sat
Alles andere als unerwartet war aber auch, dass Emmerich im direkten Duell gegen Henze keine Chance haben würde. Klar und deutlich hatten sich fast alle anderen Parteien im Vorfeld der Stichwahl für die gemeinsame Kandidatin von SPD und Grünen ausgesprochen und ihren Anhängern eine entsprechende Wahlempfehlung mit auf den Weg gegeben.
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„Es ist für niemanden überraschend, erst recht nicht für uns, dass sich die Kartellparteien zusammengeschlossen haben“, kommentierte die Gelsenkirchener AfD-Chefin Enxhi Seli-Zacharias die breite Unterstützung für Henze in einer Pressekonferenz kurz vor Schließung der Wahllokale. Besonders echauffierte sich Seli-Zacharias darüber, dass die Gewerkschaft Verdi am Tag der Stichwahl noch eine SMS mit der Wahlempfehlung für Henze an ihre Mitglieder verschickt hatte. „Dafür Ressourcen einer Gewerkschaft zu verschwenden, ist an Niedertracht nicht mehr zu überbieten“, so die Landtagsabgeordnete in ihrem gewohnt scharfen Ton.
Ihren OB-Kandidaten Norbert Emmerich bezeichnete Seli-Zacharias als „Kandidat der Herzen.“ Trotz des Wahlausgangs sei die AfD der Gewinner der diesjährigen Kommunalwahl in Gelsenkirchen.
Die Bedeutung Gelsenkirchens für die Rechtsaußen-Partei wurde durch den Besuch des NRW-Landesverbansdchefs Martin Vincentz unterstrichen. Dass man in Städten wie Gelsenkirchen wirklich den Oberbürgermeister stellen würde, habe man überhaupt nicht erwartet, betonte er – und blickte direkt auf 2030. „In fünf Jahren werden wir wirklich darum kämpfen, in die Rathäuser einzuziehen“, prognostizierte der AfD-Landeschef. 2025 sei lediglich „eine Zwischenetappe“ gewesen.
Seli-Zachiaras behauptete darüber hinaus in der Pressekonferenz, sie sei „bestens informiert über die interne Stimmungslage der SPD“ – und sprach daraufhin eine Einladung an alle „alten Hasen“ in der SPD aus, die sich nicht von der aktuellen Politik der Partei repräsentiert fühlen. Man werde „niemandem die Tür verschließen“. „Es fängt gerne bei einem Kaffee an und dann endet es vielleicht mit einer Aufnahme in die Fraktion.“
SPD-Chefin Nicole Schmidt hingegen ließ an diesem Abend nicht den Eindruck erwecken, dass es große Tendenzen in ihrer Partei dafür gibt, sich Richtung AfD zu öffnen. „Wir waren immer die Brandmauer gegen Rechts und werden das auch immer bleiben“, betonte Schmidt im Ratssaal, nachdem sich nach den ersten ausgezählten Wahllokalen bereits eine deutliche Tendenz erkennen ließ.
Die SPD, die mit Sarah Philipp übrigens auch ihre Landeschefin nach Gelsenkirchen eingeladen hatte, müsse aber auch selbstkritisch sein und jetzt „Vertrauen zurückgewinnen im Alltag“, zum Beispiel durch eine harte Gangart gegenüber Sozialleistungsmissbrauch. „Wer das System ausnutzt, schadet dem Vertrauen in unsere Demokratie“, so Schmidt.
Andrea Henze sei nun die richtige dafür, Vertrauen zurückzugewinnen. „Sie hat uns allen gezeigt, Politik ist nicht abstrakt, Politik ist Nähe“, meinte Schmidt.
Von Stefan Meinhardt und Bastian Rosenkranz
Nach Gelsenkirchen gezogen ist die gebürtige Dessauerin Andrea Henze erst im Jahr 2024. Ins Ruhrgebiet kam die Mutter einer erwachsenen Tochter vor zehn Jahren, damals als Geschäftsführerin des Jobcenters Hagen. Die Wechsel folgten zügig: 2019 war sie Leiterin des Duisburger Sozialamtes, 2020 Chefin der Bochumer Beschäftigungsförderungsgesellschaft gGmbH, 2021 dann Leiterin des Bochumer Sozialamtes.
Seit Ende 2021 ist Henze Dezernentin für Arbeit und Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz und damit Teil des Gelsenkirchener Verwaltungsvorstandes. Gelsenkirchen sollte für sie „langfristig angelegt sein“, entgegnete sie 2022 dem Eindruck, eine „Springerin“ zu sein. Damals galt sie als Konsens-Kandidatin ohne Parteibuch, später trat sie der SPD bei. Ähnlich wie noch Amtsinhaberin Karin Welge gilt sie nicht als typische Parteikarrieristin.
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