
Eine Schule in Gelsenkirchen bietet nur noch Halal-Essen an, schreiben manche Medien. Gegessen würde dort nun nach islamischen Regeln, formuliert es RTL gar. Ein Shitstorm tobt durchs Netz, als wäre Anstand in Deutschland nicht mehr zu Hause! [Kommentar]
Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Halal-Thema an der Gesamtschule in Gelsenkirchen als perfider Clickbait. Gerichte mit Schweinefleisch fliegen raus. Dafür gibt es mehr pflanzliche Gerichte.
So ist es leichter, mehr Kinder mit warmem Mittagessen zu versorgen.
Ende der Geschichte.
Doch wen interessiert die typisch deutsche Liebe zur Einfachheit und Effizienz – wenn man dem Thema mit einem Schlagwort eine ganz andere Dimension verpassen kann? Halal!
So hetzen Clickbait-Junkies und Fremdenhasser gleich gegen zwei Bevölkerungsgruppen: gegen Veggies und gegen Muslime.
Tatsächlich wird an der Schule weiterhin Fleisch angeboten. Das hat die Betreiberin des Schul-Caterers, „Muttis Küche“, telefonisch bestätigt. Laut dessen Chefin Canan Celebi gibt es aber täglich ein vegetarisches Gericht.
Die „Halal“-Aufregung wirkt angesichts der Hintergründe regelrecht konstruiert!
Ein bekannter (deutscher) Großhändler, von dem „Muttis Küche“ Fleisch bezieht, bietet offenbar eine „Halal“-Zertifizierung an. Die besagt, so Celebi, dass das Tier vollständig ausgeblutet wurde.
Weil Tiere in deutschen Schlachthöfen von Gesetz wegen vollständig ausgeblutet werden müssen, dürfte das Halal-Zertifikat so etwas wie ein Gratis-Bonus sein, mit dem sich der Großhändler ein paar schnelle Euros verdient.
Ein Halal-Siegel, das eine vollständige Ausblutung garantiert, zertifiziert im Kern das, was ohnehin vorgeschrieben ist.
Celebi betonte am Telefon, dass die Tiere zuvor betäubt würden. Wie es in Deutschland vorgeschrieben sei. „Anders geht es in Deutschland gar nicht!“
Anders als manche Medienberichte es suggerieren, werden die Tiere also nicht ohne Betäubung geschächtet. Das wäre in der Tat sehr qualvoll für die Tiere.
Möglicherweise ähnlich qualvoll wie die CO₂-Betäubung von Schweinen, die in Deutschland üblich ist. Ein deutscher Schlachthof klagt aktuell sogar gegen Tierschützer, wegen Undercover-Aufnahmen aus seinem Betrieb.
Doch mit so viel Hintergrundwissen wollen deutsche Hetz-Medien ihre Leser offenbar nicht behelligen.
Und schon gar nicht mit der Tatsache, dass vegetarische und vegane Gerichte ebenfalls „halal“ sind. Nur dass man es hier normalerweise nicht extra dazu sagt, weil es einfach logisch ist.
Schade, dass es an der Schule weiterhin Fleisch gibt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), der Weltklimarat und das Umweltbundesamt raten zu einer deutlich pflanzenbetonten Ernährung.
Verarbeitetes Fleisch ist zudem krebserregend – davor warnt die Weltgesundheitsorganisation seit zehn Jahren!
Es gäbe also viele gute Gründe, die Schulverpflegung auch in Gelsenkirchen deutlich pflanzlich(er) zu gestalten! So, wie es viele andere Schulen bereits tun.
Ein veganes Angebot in Schulen würde sogar noch mehr Menschen berücksichtigen. Vegan ist halal, koscher, fleischlos, milchfrei, laktosefrei und eifrei. Und tierfreundlich obendrein!
In unserem Interview sprachen zwei vegane Bundeswehr-Offiziere sogar von einer echten „Goldrand“-Lösung.
Und doch wirkt die „Halal“-Hetze völlig konstruiert – und lenkt von den wahren Problemen in der Verpflegung an deutschen Schulen ab.
Weil es mal wieder nur darum geht, mit konservativen Ängsten zu spielen – statt die Vorteile zu erkennen, die bei einer Verpflegung ohne Fleisch bzw. Schweinefleisch auf der Hand liegen.
Es verringert den Aufwand der Schulküchen und macht mehr Kinder satt.
Weil etliche Gastronomen im Großhandel einkaufen, könnten „Welt“, RTL und Co ihre „Halal“-Hetze an jedem x-beliebigen Landgasthof anknüpfen, der dasselbe Fleisch bezieht.
Doch wie langweilig wäre das!
Die Hetze ist einfach nur beschämend!
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig
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