
Zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit fordert das Bündnis Sahra Wagenknecht ein 100-Milliarden-Euro-Programm für den „Aufbau West“. „Dresden, Potsdam, Görlitz: Und was ist mit Gelsenkirchen, Kaiserslautern, Mannheim?“, heißt es in einem BSW-Papier „für mehr Zusammenhalt“ im Land.
Die geforderten Hundert Milliarden Euro solle der Bund in Infrastruktur investieren, die Länder sollten sich beteiligen. Parallel sollten die Kommunen bundesweit entschuldet werden, und zwar mit Hilfe zusätzlicher Kredite des Bundes, fordert das BSW weiter.
Auffällig ist, dass das BSW mit Gelsenkirchen und Kaiserslautern die beiden westdeutschen Städte ins Schaufenster stellt, in denen die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl knapp stärkste Kraft geworden war, was ihr sonst nirgendwo in Westdeutschland gelang. In Gelsenkirchen sowie in Duisburg und Hagen zogen die AfD-Kandidaten darüber hinaus bei der Kommunalwahl am 14. September jeweils in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters. In allen drei Städten unterlagen die Kandidaten der rechten Partei deutlich.
Das Fünf-Punkte-Programm des Bündnis Sahra Wagenknecht, das bei der Kommunalwahl in Gelsenkirchen auf 1,6 Prozent kam, beklagt eine politische, soziale und mentale Spaltung im Land – „so groß wie noch nie seit 1989“. Gegensteuern will die Partei mit einigen bekannten BSW-Forderungen, darunter höhere Renten, niedrigere Rüstungsausgaben, niedrigere Energiepreise und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro.
Einen Ost-West-Vergleich mit Betonung auf Gelsenkirchen machte auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), wenngleich mit anderem Fokus. Nach den Stichwahlen um das Oberbürgermeisteramt warnte Merz beim Ständehaus-Treff der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf vor einem weiteren Erstarken der AfD. „Wir erleben jetzt, dass die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung mit der politischen Klasse des Landes eben nicht nur auf den Osten beschränkt war, sondern sich jetzt auch im Westen breitmacht.“
Ein Kommentar von Gordon Wüllner-Adomako
Der Bundeskanzler betonte, die Ergebnisse der Stichwahlen zeigten zwar, dass für die AfD „die Bäume nicht in den Himmel“ wüchsen. Aber es sei eine ernst zu nehmende Entwicklung. Man müsse sich mit den Ursachen für das Erstarken der AfD beschäftigen, „und wir müssen dafür sorgen, dass die Ursachen sukzessive abgearbeitet werden“, sagte Merz.
Welche Bedeutung Gelsenkirchen für die AfD hat, wurde zuletzt nicht nur durch die Wahlkampfunterstützung von Parteichefin Alice Weidel deutlich. Dass man in Städten wie Gelsenkirchen wirklich den Oberbürgermeister stellen würde, habe man überhaupt nicht erwartet, sagte AfD-Landeschef Martin Vincentz im Hans-Sachs-Haus. 2030 allerdings „werden wir wirklich darum kämpfen, in die Rathäuser einzuziehen“, so Vincentz. 2025 sei lediglich „eine Zwischenetappe“ gewesen.
Vor und nach der Kommunalwahl in Gelsenkirchen war das Medieninteresse aufgrund des erwarteten hohen Zuspruchs für die AfD sehr groß. Nicht selten beklagt die AfD dabei, dass gerade die öffentlich-rechtlichen Medien voreingenommen über sie berichteten. Ähnlich klingt das nun auch im Programm des BSW.
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Die Wagenknecht-Partei dringt auf eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und begründet dies mit einer „Cancel-Culture-Kultur“ und einer „medialen und rhetorischen Abwertung der Menschen im Osten“. Nach Vorstellungen des BSW soll sich der Rundfunkbeitrag für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen auf zehn Euro im Monat verringern. Dies soll mit deutlich höheren Beiträgen für „die oberen zehn Prozent“ finanziert werden. (mit dpa)
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